Verkehrskonzept Berlin Mitte

I. Präambel

Mobilität ist gelebte Freiheit. Die Möglichkeit, die Distanz zwischen Wohnort, Arbeitsplatz, Freizeit und Einkaufsmöglichkeit überwinden zu können, ist Voraussetzung für Selbstbestimmtheit in allen Lebenslagen. Für die Wirtschaft der Metropolregion Berlin ist eine funktionierende Mobilität von herausragender Bedeutung. Mobil zu sein ist aber darüber hinaus auch Voraussetzung für Urbanität und soziale Teilhabe. Zivilgesellschaftliche Partizipation erfordert ein Mindestmaß an tatsächlicher Begegnung in der Innenstadt oder anderen Diskursorten. Eine Gesellschaft, die nicht in „Stadt“ auf der einen Seite und „gated communities“ und abgehängten Schlafstädte auf der anderen Seite segregiert sein soll, erfordert eine gemeinsame örtliche Mitte, die für alle erreichbar ist und auch tatsächlich genutzt wird. Nur so ist eine Gemeinschaft – eine Kommune – möglich. Mobilität ist Teil der Daseinsvorsorge und muss daher vom Staat gewährleistet werden. 

Die Digitalisierung verändert vieles. Telearbeit – im sogenannten Homeoffice oder dem sogenannten Dritten Raum – beispielsweise einem Café – wird zunehmen. Auch werden zunehmend Waren und Dienstleistungen im Internet bestellt. Das Bedürfnis nach Mobilität wird dadurch jedoch aller Voraussicht nach steigen. Durch Bestellungen im Internet wird der Anlieferverkehr sogar noch deutlich zunehmen. Auch kann eine digitale „agora“ keine tatsächliche Innenstadt – wie oben umschrieben – ersetzen. Auch bei zunehmender Digitalisierung bleibt die Gewährleistung funktionierender Mobilität daher unverändert Staats- bzw. städtische Aufgabe. 

Die Freien Demokraten begrüßen den technologischen Fortschritt im Verkehrswesen. Dieser Wandel wird bestimmt durch den Wettbewerb der besseren Ideen. An vielen Stellen bedarf es  den Mut neu zu denken. Da jedoch niemand genau sagen kann, wie der technologische Fortschritt konkret aussehen wird, können wir keine exakten Vorhersagen darüber treffen, welche Verkehrsmittel in der Zukunft die effizientesten sein werden. Klar ist jedoch das Ziel, einer emissionsarmen Mobilität immer näher zu kommen. Daher wollen wir Freien Demokraten Optionen und Chancen technologisch offen gestalten. Beispielsweise mag es möglich sein, dass das autonome Fahren zukünftig schienengebundenen ÖPNV überflüssig macht und die durchaus freigewordenen Schienentrassen als neue Verkehrswege Verwendung finden. Ein selbstbestimmtes Leben bedeutet aber auch eine freie Wahl der Verkehrsmittel. Wir Freien Demokraten wollen daher kein Verkehrsmittel diskriminieren, sondern treten ein für eine gleichberechtigtes Nebeneinander aller Verkehrsmittel und Wahlfreiheit ihrer Nutzer. Ein gegenseitiges Ausspielen von ÖPNV, PKW gegen Rad- und Fußverkehr lehnen wir ab. Wir wollen die Infrastruktur für die verschiedenen Verkehrsträger und Verkehrsarten (Individualverkehr, Wirtschaftsverkehr, ÖPNV) gleichberechtigt zur Verfügung stellen. Dies kann aber auch in der räumlichen Trennung – beispielsweise von Fahrrad- und Autostraße – vollzogen werden. Jeder Einzelne ist für seine Entscheidung für ein bestimmtes Verkehrsmittel zu respektieren. 

Auch ein entspannter Umgang miteinander im Straßenverkehr hilft, viele Probleme zu lösen. Gegenseitige Achtung und Rücksichtnahme sind die Grundlage für Effektivität und Sicherheit des Verkehrs. Nur wenn alle Teilnehmer respektvoll miteinander umgehen, wird das Zusammenleben in Berlin gelingen. Die jeweils Schwächeren im Straßenverkehr sind zu schützen. Mobilität ist zwar Grundlage für eine moderne Gesellschaft, Verkehr kann aber auch Belastung für die unmittelbaren Anwohner sein. Das Bedürfnis nach Ruhe und sauberer Luft wird weiter steigen, und vor allem der Klimaschutz stellt die Verkehrspolitik vor große Herausforderungen. Wir Freien Demokraten sind überzeugt, dass in technischen Innovationen – sei es in den Mitteln der Digitalisierung, des autonomen Fahrens, aber auch ganz neuen Verkehrsträgern – große Chancen zur Meisterung dieser Herausforderung liegen. Wir sind daher schon aus pragmatischen Gründen technologieoffen. Um die genannten Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen, sind wir Freien Demokraten der festen Überzeugung, dass gute Verkehrspolitik niemals getrennt von Planungspolitik gedacht werden kann. Eine deutlich dichtere bebaute Stadt bietet die Chance einer deutlich effizienteren Verkehrsführung. Wir wollen daher eine Stadt der kurzen Wege. Wir wollen ein Berlin, in dem jeder innerhalb von 30 Minuten sein Ziel erreichen kann. Des Weiteren fordern wir massive Verbesserungen im Bereich des Baustellenmanagements, denn hier besteht immer noch ein großes Hemmnis für den fließenden Verkehr.

II. ÖPNV 

Wir Freien Demokraten treten für einen verstärkten Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs ein. Auch hier sehen wir große Chancen in neuen Verkehrsmitteln. So begrüßen wir die innovativen Ideen im Bereich der urbanen Seilbahnen, Wassertaxen, Flugtaxen, Hyperloops und insbesondere im Bereich der sogenannten „letzten Meile“: der Überwindung der Distanz zwischen dem ÖPNV-Haltepunkt und dem tatsächlichen Ziel. Neben dem Ausbau soll auch die bestehende zum Teil störungsanfällige ÖPNV Infrastruktur ertüchtigt werden. Wir treten dafür ein, dass über die Digitalisierung der klassische ÖPNV und „On-demand“-Angebote miteinander verknüpft werden, so dass mit einem Buchungs- und Bezahlvorgang beispielsweise S-Bahn-Ticket und Leihfahrrad, E-Scooter oder andere Sharing-Dienste abgewickelt werden können.

ÖPNV anders gedacht 

– Wassertaxen 

– Prüfung der Seilbahn als Ergänzung des klassischen ÖPNV 

– Busspuren für Express-Linien aus dem Umland 

– Automatischer Shuttle-Bus 

– Um das Problem der letzten Meile zu lösen, können Winkebusse eingeführt werden (Minibusse mit individuellen Haltestellen auf einer festen Route)

Wir Freien Demokraten sind überzeugt von der Kreativität und Innovationskraft der Menschen und Unternehmen. Deswegen fordern wir alle staatlichen Institutionen, alle Daten im Mobilitätsbereich als Offene Daten („Open Data“) kostenfrei der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. So können neue Angebote in z. B. Start-ups entwickelt und bestehende Kartendienste um ÖPNV-Informationen erweitert werden.

Es ist die Machbarkeit zu untersuchen, wie durch die Offenlegung der anonymisierten Daten in einer öffentlich zugänglichen Datenbank (Open Data) das Angebot der Allgemeinheit und Verkehrsträgern zur Verbesserung der Verkehrssituation zur Verfügung gestellt werden kann. Der Ausbau und der Betrieb des ÖPNVs ist mit erheblichen Kosten verbunden. Daher fordern wir einen teilsubventionierten ÖPNV. Einen komplett kostenfreien ÖPNV lehnen wir ab, weil der völlige Verzicht auf Fahrgasteinnahmen, die dringend notwendigen Qualitätsverbesserungen im ÖPNV unmöglich machen würde. Wir fordern Änderungen des Tarifgefüges, um Fahrpreise gerechter und ökologisch sinnvoller zu gestalten. Distanzbasierte Entgelte sind hierbei starren Tarifgrenzen vorzuziehen.  Uns Freien Demokraten ist bewusst, dass unabhängig von der Finanzierung des ÖPNV-Betriebes, dieser heute schon ausgebaut werden muss, um der extrem gestiegenen und weiter steigenden Nachfrage gerecht zu werden.

III. Motorisierter Individualverkehr (MIV) 

Der motorisierte Individualverkehr wird – wie auch andere Verkehrsmittel – in den kommenden Jahren einen Wandel durchlaufen. Dieser Wandel wird sich zunächst aus heutiger Sicht hauptsächlich im Bereich der Antriebstechnologie (weg vom Verbrennungsmotore) und der Steuerung (automatisiertes Fahren) abspielen. Das sind die aktuellen Momentaufnahmen. Wir sind offen für alle Entwicklungen. Diese lassen sich nicht alle vorhersehen. Mittelfristig wird es zum Aufweichen der strikten Trennung zwischen ÖPNV und MIV kommen. Auch wenn die Bedeutung des privaten Eigentums an einem Fahrzeug geringer werden sollte, ist dennoch mit einer steigenden Anzahl an Fahrzeugen zu rechnen. Dafür wird der Zugang zu einem Fahrzeug wichtiger. Diese Fahrzeuge müssen zügig und sicher bewegt sowie abgestellt werden können.

Wir Freien Demokraten fordern daher: Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern.

Eine Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern erlaubt eine effizientere Steuerung der Pendlerströme und stellt damit für diese eine Entlastung dar. Wir fordern, dass die Park-and-Ride-Parkplätze in den an den Kreuzungspunkten zwischen Autobahn und ÖPNV ausgebaut  werden. Von dort aus muss es möglich sein, mit einer engen Taktung mit dem ÖPNV in die Innenstadt kommen. 

Verkehrsachsen in die und / durch die Stadt

Die Pendlerströme werden auch in Zukunft bestehen bleiben. Daher fordern wir, dass die Haupteinfallstraßen in die für den MIV voll nutzbar bleiben. Wichtig für die Entwicklung des Verkehrs sind die Ringe, der City-Ring muss gestärkt und weiter priorisiert werden. Damit die Belastungen für die Bürger gleichzeitig auch minimiert werden, ist es wichtig, dass der Verkehr flüssig und zügig läuft. Ebenfalls muss mit Hilfe der Digitalisierung die Steuerung der Verkehrsflüsse optimiert werden. Dies ist kurzfristig möglich.

Parken in der Stadt 

Ein erheblicher Teil des städtischen Autoverkehrs geht auf das Konto des Parkplatzsuchverkehrs. Hier sind Verbesserungen notwendig. Smarte Parkplätze könnten übermitteln, ob sie frei oder belegt sind und aus der Ferne reserviert werden und dazu beitragen, den Parkplatzsuchverkehr zu reduzieren. Um den Straßenraum vom ruhenden Verkehr zu entlasten, fordern wir weitere unterirdische Parkhäuser. Von den Parkhäusern fordern wir eine kurze Wegeverbindung zum Nahverkehr. Diese neuen Parkangebote sollen die überirdischen Parkangebote im öffentlichen Raum nach und nach ersetzen, um die Aufenthaltsqualität in den Straßen zu erhöhen und den Parkplatzverkehr zu reduzieren. Zu den Parkhäusern muss ein echtes funktionierendes Parkleitsystem führen. In Zeiten der Digitalisierung sollten hier automatisierte Systeme eingeführt werden. In diesem Zuge soll es möglich sein, Parkplätze zu reservieren.

Carsharing-Angebote („free floating“ und stationsgebunden) und alternative Fahrdienste in der gesamten Metropolregion unterstützen wir aus vollster Überzeugung. Hürden für diese neuen Angebote müssen abgebaut werden soweit es geht, so sollen z. B. Anwohnerparkplätze für Carsharing-Dienste freigegeben werden und die Rückfahrtpflicht für Fahrtdienste entfallen. Gleichzeitig fordern wir eine Gleichstellung von Taxis im Personenbeförderungsgesetz. Es muss begonnen werden, in einer Gesamtheit zu denken und eine gelebte Vernetzung der Verkehrsmittel zu praktizieren. Dazu gehören auch eine Steuerung für Grüne Wellen und Vorrangstraßen auf bestimmten Routen sowie großräumige Smartlenkung der Verkehrsflüsse. Das Verkehrsaufkommen innerhalb des Anlagenrings mittelfristig minimiert werden. Dazu soll der Transitverkehr die Innenstadt umfahren. Die Parkhäuser sollen weiterhin erreichbar sein. Außerhalb dieser Zufahrtsstraßen zu den Parkhäusern fordern wir einen reinen Anliefer-und Anwohnerverkehr. Genügend Ladezonen und Behindertenparkplätze sollen zur Verfügung stehen. Wir erkennen an, dass die zur Verfügung stehenden Flächen für den fließenden und stehenden Verkehr innerhalb des Alleenrings begrenzt sind. Daher fordern wir eine adäquate Bepreisung der Nutzung dieser Flächen. Wir fordern die Einführung eines nachfragegestützten Bepreisungssystems für den Parkraum innerhalb des Anlagenringes. Parkraum zu Stoßzeiten ist teurer als in den Nebenzeiten.